Die Süddeutsche Zeitung lässt Friedrich Wilhelm Graf, evangelischen Theologen, Leibniz-Preisträger, die religionskritischen Bestseller von Christopher Hitchens und Richard Dawkins besprechen.
An sich keine schlechte Idee, möchte man meinen, leider endet sie in einem journalistischen Desaster.
Denn Graf ist nicht Willens und, so steht zu befürchten, auch nicht in der Lage, die Bücher kritisch zu rezensieren. Stattdessen entstellt und unterstellt er, reißt aus dem Zusammenhang, beschimpft und verunglimpft. Kurzum, er verhält sich genau so, wie man es von einer antiklerikalen Witzfigur erwarten würde, nicht von einem angesehen Theologe.
Und er lässt keine Zeit verstreichen, um dem geneigten Leser zu zeigen, mit wem er es zu tun hat:
"Religionskritik kann davon leicht profitieren. Sie muss nur die Gewaltgötter in ihrer grausamen Härte vorstellen und in einem zweiten Gedankenschritt den Nachweis führen, dass Gewaltfixierung, Unterdrückung und aggressive Intoleranz das wahre Wesen Gottes konstituieren. Genau darum geht es Dawkins wie Hitchens: Vom aktuellen Gottesterror traumatisiert, wollen sie zeigen, dass auch der beste "liebe Gott" nur ein blutrünstiges Ungeheuer ist."
Ja, man liest richtig, hier wird zwei bekennenden Atheisten unterstellt, ihnen ginge es darum, das wahre Wesen Gottes zu zeigen. Man muss wohl Theologe sein, um dieser Logik folgen zu können.
Und es geht fröhlich weiter. Über Dawkins Buch weiß Herr Graf zu berichten:
"Interesse weckt sein langweiliger Text nur wegen des Anspruchs, mit der Darwinschen Evolutionstheorie über einen alles erklärenden Deutungsschlüssel zu verfügen. In Begriffen der Evolutionstheorie will er nicht nur Natur und Naturgeschichte erschließen, sondern endlich auch die Geheimnisse aller Kultur und speziell der Religionsgeschichte aufdecken."
Das einzige Problem an diesen Sätzen ist nur, dass sie, wie jedem, der das Buch gelesen hat, klar sein dürfte, schlicht nicht der Wahrheit entsprechen.
Dawkins widmet ein keineswegs zentrales Kapitel seines Buches der Frage, warum Menschen religiös sind, wo Religion doch, zumindest für Dawkins , so wenig überzeugend ist. Hier entwickelt er einen, wie er selbst zugibt, sehr spekulativen evolutionären Erklärungsansatz. Das war es dann zwar schon, aber die Unterstellung, Dawkins wolle mithilfe der Evolution die Geheimnisse der Kultur-, speziell der Religionsgeschichte aufdecken, klingt einfach zu sehr nach bösen Sozialdarwinismus, als dass Herr Graf sie nicht in der Raum werfen müsste.
Und weiter:
"Dies mag auch damit zusammenhängen, dass Dawkins' Glaubenskritik von antijüdischen Begleittönen nicht frei ist."
Mit anderen Worten: Graf unterstellt Dawkins also implizit Antisemitsmus. Ein gerade in Deutschland schwerwiegender Vorwurf. Leider lässt sich der Autor nicht dazu herab, diesen Vorwurf auch zu belegen. Er begnügt sich damit, die Unterstellung ins Ungefähre zu raunen.
Weiter im Text:
"Auch in der Kritik der alteuropäisch metaphysischen Gottesbeweise bleibtDawkins weit unter dem Reflexionsniveau Humes oder Kants, die er dank mangelnder Quellenkenntnis für knallharte Atheisten hält."
Über das Reflexionsniveau von Dawkins möchte ich mich nicht äußeren, hinweisen möchte ich jedoch darauf, dass er weder Hume noch Kant für Atheisten hält. Schon gar nicht für knallharte. Man kann sich also auch hier des Eindrucks nicht erwehren, dass es auch mit der Quellenkenntnis des Herrn Graf und mit seinem Reflexionsniveau nicht zum Besten bestellt ist.
"Die in den Heiligen Schriften der monotheistischen Religionen verkündete Moral deutet Dawkins als Vademecum für blutbesessene Gotteskrieger, deren grausam eiferndes Divinalmonster am Sinai nur ein "Regelwerk mit Anweisungen zum Völkermord, zur Versklavung anderer Gruppen und zur Weltherrschaft" offenbart habe."
Hier scheint dem Grafen vor lauter christlichem Furor der Kontext gänzlich abhanden gekommen zu sein. Dawkins tut nämlich keineswegs, was der Autor ihm unterstellt, sondern diskutiert die von religiöser Seite oft zu hörende Behauptung, Religion sei das Fundament von Moral und ohne dieses Fundament gäbe es keine Moral. In diesem Zusammenhang weist er darauf hin, dass es mit der Moral in der Bibel nicht immer zum Besten bestellt ist und dass auch die meisten Christen heute andere Moralvorstellungen haben, als jene, die in der Bibel zu finden sind. Eine Argumentation, die das Reflexionsniveau des Herrn Graf leider zu übersteigen scheint.
Und es geht weiter:
"Gegen all jene Religionsanalytiker, die religiöse Symbolproduktion und wissenschaftliche Theoriebildung strikt unterscheiden und deshalb die Fehden zwischen Schöpfungsgläubigen und Neodarwinisten für sachlich gegenstandslos halten, weiß er sich mit den Kreationisten darin eins, dass Glaube und Wissen denselben Deutungsanspruch erheben."
Heureka. Herr Graf hat es geschafft, eine These des Buches zwar verkürzt, aber immerhin nicht völlig falsch wiederzugeben. Leider verschweigt er, dass sich Dawkins dieser "unheiligen" Übereinstimmung mit den Kreationisten bewusst ist und diese auch reflektiert, wie er auch verschweigt, dass Dawkins lange Passagen seines Buches darauf verwendet zu begründen, warum er "gegen all jene Religionsanalytiker" diese Meinung vertritt.
Es ist wohl nur der Naivität eines Laien geschuldet zu meinen, es wäre besser gewesen, sich hier mit Dawkins Argumenten auseinanderzusetzen. Theologen scheint die indignierte Feststellung, jemand vertrete eine andere Meinung als "all jene Religionsanalytiker", auszureichen.
Ausgerechnet der bekannte und bekennende Polemiker Hitchens kommt bei Herrn Graf ungleich besser weg, als der ruhige Oxfordprofessor Dawkins. Allerdings kann der Autor sich auch hier nicht verkneifen, Hitchens Aussagen zu entstellen, um sie dann umso indignierter zurückweisen zu können:
"Leider fängt, ähnlich wie Dawkins, auch Hitchens dann an, modernen Glaubensikonen alles mögliche Falsche, Schlechte nachzusagen. Dietrich Bonhoeffer einen "nebulösen Humanismus" zuzuschreiben und Martin Luther Kings Glaubensprotest gegen die Sklaverei durch Aufrechnerei mit dem Rassismus weißer Südstaaten-Christen abzuwerten, lässt wenig Sachkenntnis, aber viel peinliche Kleingeisterei erkennen. "
Ach wie schön, dass niemand weiß, dass ich auf den Kontext scheiß.
Hitchens rechnet keineswegs den "Rassismus weißer Südstaaten-Christen" gegen den "Glaubensprotest" Kings' auf, er wagt es lediglich darauf hinzuweisen, dass Glaube allein kein hinreichender Grund für diesen Protest ist, wie eben jene "Südstaaten-Christen" beweisen. Auch tut er dies nicht im luftleeren Raum, sondern diskutiert hier die bereits angesprochene Behauptung, Religion sei das Fundament von Moral.
Was Graf hier abliefert ist leider keineswegs eine kritische Rezension, sondern ein Offenbarungseid.
Tuesday, September 11, 2007
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1 comment:
Bravo!
Verlinke ich sofort.
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